Verhör oder Interesse?

Haben Sie sich schon mal gewundert, warum Ihr Gegenüber patzig wird, wenn Sie etwas fragen? Warum es vielleicht verwirrende und rebellische Gegenfragen stellt, statt einfach eine Antwort zu geben?

Dann hat sich in Ihre Frage möglicherweise die „Verhörerin“ bzw. der „Verhörer“ gezeigt.  Dieser innere Anteil von Ihnen ist Ihnen vielleicht noch gar nicht bewusst. Sie glauben, eine interessierte Frage zu stellen oder ein Bedürfnis auszudrücken, sogar in bewusst freundlichem Ton. Aber in Ihrer Frage schwingt schon mit, dass Sie jede Antwort Ihres Gegenübers bewerten und berurteilen und ggf. scharf verurteilen werden. Es ist eher ein Zur-Rede-Stellen statt ein Sich-Füreinander-Interessieren oder Sich-Mitteilen. Mit ablenkenden Gegenfragen oder Motzen versucht Ihr Gegenüber (unbewusst!), dem Verhör die Schärfe zu nehmen.

Ein Beispiel: Sie betreten für eine Arbeitsberatung den Raum Ihrer Kollegin. Meist ist dort stickige Luft, das ärgert Sie schon länger. Sie haben dafür kein Verständnis, sind also schon am Beurteilen. Sie fragen, um Ruhe bemüht, „Hast du Routinen zum Lüften?“ Statt Ihr Bedürfnis mitzuteilen: „Mir ist die Luft hier zu stickig, darf ich kurz stoßlüften und dazu das Fenster in Deinem Raum öffnen?“

Vermutlich ist die zweite Variante effektiver und auch beziehungsstärkender.

Hören Sie sich also mal eine Zeitlang zu, wie gut es Ihnen gelingt, verurteilungsfrei Fragen zu stellen und Bitten zu äußern.

(Übrigens: Mit unbewusstem Verhör-Fragen verunsichern viele Eltern ihre Kinder. Kinder, die in solcher Umgebung groß werden, übernehmen diese Frageform häufig und machen später in ihrer Partnerschaft bzw. im Arbeitsleben Druck statt gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Zum Glück lässt sich das wieder auflösen…)